Wie eine Hoffnung mit dem Scheitern des Osloer-Abkommens starb (Israel und Palästina)

Nicht einmal 30 Jahre ist es her als der Friedensnobelpreis im Dezember 1994 an den damaligen Palästinenserführer Yasser Arafat, den damals amtierenden Ministerpräsident von Israel Yitzhak Rabin und seinen Außenminister Shimon Peres für ihre Bemühungen für ein Abkommen im Konflikt zwischen Israel und Palästina verliehen wurde. Das Bild des Händedrucks nachdem Rabin zu Arafat gesagt hatte: „Es ist genug Blut, es sind genug Tränen geflossen. Genug!“ (1, ard aplha) ging um die Welt.

Eine greifbare friedliche Lösung für den Konflikt zwischen Israel und Palästina, etwas was uns heute weit weit entfernt vorkommen mag, doch damals mit Blick auf die kurzzeitigen positiven Entwicklungen Hoffnung entflammen ließ. Auch wenn wir heute wissen, dass das Vorhaben keinen Erfolg hatte und der Konflikt sich zugespitzt hat, klangen die Bemühungen von Arafat, Rabin und Peres zu jener Zeit erfolgversprechend: zum ersten Mal wollten sich Palästina und Israel gegenseitig anerkennen und sprachen sich ein Existenzrecht zu, es sollte zu Bemühungen kommen eine friedliche Zweistaaten-Lösung anzustreben. ND-Aktuell schreibt dazu „Israel akzeptierte die PLO als offiziellen Vertreter der palästinensischen Bevölkerung. Im Gegenzug erkannte die PLO das Existenzrecht Israels an und schwor offiziell der Gewalt gegenüber Israel ab.“ (2, nd-aktuell 2023) Die Regierung unter Rabin verbot den weiteren Ausbau der jüdischen Siedlungen in den palästinensischen Gebieten. „In Oslo trafen sich Regierungsmitarbeiter heimlich mit hochrangigen Vertretern der PLO. Nach zähen Verhandlungen kamen beide Seiten zu einem Kompromiss. Israel würde sich etappenweise aus den besetzten Gebieten der Palästinenser zurückziehen. Eine Palästinensische Autonomiebehörde würde im Gegenzug die Gebiete verwalten.“, so die Bundeszentrale für politische Bildung. (3, bpb 2008)

Eine unerwartete Wendung nach Jahren der Auseinandersetzungen, in deren Folge es ab Dezember 1987 in den palästinensischen Gebieten zu der Ersten Intifada (arabisch für Erhebung, Abschüttelung) kam. Der Aufstand breitete sich massiv aus und es kam zu Gewalt auf beiden Seite. Die Intifada führte zu gravierenden politischen Veränderungen. In der Folge der sich ausweiten den Unruhen übertrug König Hussein von Jordanien das von Israel besetzte Westjordanland 1988 an die Palästinenser und damit in die Hände der PLO, dem  Palästinensischen Nationalrat, jedenfalls theoretisch. Die Bundeszentrale für politische Bildung schreibt dazu: „Ein symbolischer Akt, denn die Israelis waren zu diesem Zeitpunkt nicht bereit, derartige Vorgänge zu akzeptieren.“ (1, bpb 2008)
Am 15. November 1988 riefen Mitglieder der PLO den Staat Palästina aus. Dieser wurde jedoch von vielen anderen Ländern nicht anerkannt.

Internationales Aufstehen erregte, dass Palästinenserführer Yassir Arafat sich nach dem Überfall des Iraks auf Kuwait 1990 auf die Seite von Saddam Hussein stellte, welcher zuvor erklärt hatte,  dass ein Abzug aus Kuwait nur in Frage kommen würde, wenn Israel sich aus den Palästinensergebieten zurückzieht. Dadurch verlor Arafat die Unterstützung der Golf-Staaten.
Trotzdem kam es im Oktober 1991  nach vier Jahren der Intifada in Madrid zu Friedensgesprächen. Und ein Jahr später als Rabin in Israel ins Amt des Ministerpräsidenten kam, regte sich Hoffnung, dass es zu einer Entspannung der konfliktreichen Situation zwischen Israel und Palästina kommt.

1993 wurden die sogenannten Osloer-Verträge von beiden Seiten unterzeichnet. Diese galten als Meilenstein in den Bemühungen um eine Lösung im Nah-Ost-Konflikt. 1995 wurden mit Oslo II die Vorschläge konkretisiert und auf eine Zwei-Staaten-Lösung für die Zukunft hingearbeitet. Viele verbanden mit „Oslo“ die Hoffnung auf eine Lösung des ewig andauernden Konflikts zwischen zwischen Israel und Palästina. Allerdings formierten sich auch Gegner des Abkommens sowohl auf israelischer wie palästinensischer Seite. „Auf israelischer Seite protestierten national-religiöse Siedler und rechte Politiker. Sie konnten sich nicht vorstellen, Palästinensern einen eigenen Staat zuzusprechen. Auf palästinensischer Seite waren es oft religiös motivierte Bewegungen, die einen israelischen Staat nicht anerkennen wollten. Immer wieder brachten radikale Gruppen auf beiden Seiten ihren Protest in Form von brutalen Angriffen zum Ausdruck.“ (4,  bpb 2020), so die Bundeszentrale für Politische Bildung. Auch die Hamas richtete sich gegen das Oslo Abkommens und verübte Anschläge in Israel.

Als nur sechs Wochen nach dem Unterzeichnen von Oslo II Rabin von einem Rechtsradikalen israelischen Studenten erschossen wurde und 1996 Benjamin Netanjahu ins Amt kam geriet die Friedensinitiative ins Stocken. Die Terroranschläge der Hamas trugen 1996 entscheidend mit dazu bei, dass Netanyahu zum Nachfolger von Rabin gewählt wurde. „Bekanntlich verstrich die fünfjährige Übergangsperiode, ohne dass die sogenannten Endstatusthemen geklärt wurden und spätestens mit der erfolglosen Verhandlungsrunde von Camp David im Jahr 2000 musste der Oslo-Prozess als gescheitert gelten.“ (5, Rosa Luxemburg Stiftung 2023) schreibt Katja Hermann von der Rosa-Luxemburg-Stiftung.
Doch gibt es auch heute kritische Stimmen, die sagen die Osloer-Verträge wären von Beginn an zum Scheitern verurteilt gewesen,weil  es von Anfang an eine starke Assymmetrie gegeben hätte. Pauline Jäckels schreibt in ND-Aktuell folgendes: „Alle Punkte, die eigentlich für eine ursprünglich angestrebte »permanente Lösung« notwendig gewesen wären, wurden bei der Prinzipienerklärung ausgeklammert: der Status Jerusalems, das Rückkehrrecht palästinensischer Flüchtlinge, bestehende Siedlungen in den palästinensischen Gebieten und der Grenzverlauf eines etwaigen palästinensischen Staates“ (4, ND-Aktuell 2023) Katja Hermann führt aus, dass in den Oslo Vereinbarungen das „Macht- und Kräfteverhältnis des Besatzungskontextes nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt wurde. Es gab weder Monitoring- noch valide Sanktionsmechanismen für den Fall, dass Zeitpläne nicht eingehalten oder Vereinbarungen torpediert werden.“  (5, Rosa Luxemburg Stiftung 2023)
Das Osloer Abkommen wurde nicht eingehalten und unterschiedliche Gründe von Seiten der Beteiligten führten zu seinem Scheitern. Es kam damit nicht zu einem Ende von Konflikten, Besatzung und Gewalt, so haben sich die Gräben zwischen den Beteiligten durch das Scheitern noch weiter vertieft – nicht nur zwischen Israel und Palästina, sondern auch zwischen politischen Gruppen innerhalb der Gebiete. Die Verhandlungen und die Anerkennung um die Bemühungen für eine friedliche Lösung weckten in vielen Menschen eine Hoffnung, die damit er starb, dass es nie zu einer konsequenten Umsetzung kam. Oxfam Deutschland schreibt: „Verantwortlich für die verfahrene Situation sind nicht nur sowohl Israelis als auch Palästinenser, sondern auch die internationale Politik. Was ursprünglich nur für eine Übergangszeit von fünf Jahren gedacht war – insbesondere die fortdauernde militärische Kontrolle des Gaza-Streifens und des Westjordanlands durch Israel und drastische Einschränkungen des Personen- und Warenverkehrs zwischen den beiden Territorien – wurde zum Dauerzustand. Der Oslo-Prozess bot keinerlei Handhabe, Fortschritte der beteiligten Parteien zu erzwingen. Folglich eskalierte immer wieder die Gewalt von beiden Seiten.“ (6, Oxfam Deutschland 2019)

Die Ereignisse des 07. Oktober 2023 in Israel erschütterten nach wie vor die Welt. Etwa 1200 Menschenleben forderte der furchtbare Terrorangriff der Hamas.  Etwa 230 Menschen wurden als Geiseln genommen. 105 kamen bislang frei. Das Schicksal der restlichen Geiseln ist unklar, jedoch geht man davon aus, dass die meisten noch am leben sind.
Doch durch die militärische Gegenreaktion Israels überschlagen sich die Ereignisse im Nahen Osten. Eine humanitäre Katastrophe wurde aufgelöst. Die Militäroffensive in Gaza durch Israel kostete viele tausende Menschen das Leben. Das Ministry of Health (MoH) in Gaza spricht von über 36.000 Toten und auch wenn die Zahlen nicht unabhängig verifiziert werden können, sollte am Ausmaß der Interventionen und Zerstörung deutlich werden, dass etliche tausende Zivilisten getötet und verletzt wurden und noch mehr unter den verheerenden Folgen des Krieges leiden z.B. durch Vertreibung, fehlende medizinische Versorgung, Hunger und Mangelernährung und Verlust von Angehörigen . Eine humanitäre Katastrophe, die sich direkt vor den Augen der Weltgemeinschaft abspielt. Immer mehr Hilfsorganisationen warnen vor der entsetzlichen Lage der Menschen in Gaza. 

Auch wenn Friedensbemühungen in der Vergangenheit scheiterten und sich die Lage seit dem auf eine verheerende Art und Weise zugespitzt hat, darf nicht aufgehört werden nach Lösungen zu suchen, die sowohl palästinensisches wie israelisches Leben schützen. Zivilisten sind immer die größten Leidtragenden in einem Konflikt.  Es geht nicht nach der Suche nach Schuld in der Vergangenheit, sondern darum den Betroffenen Menschen, die immer wieder von den gegenseitigen Gewaltausbrüchen und Kriegen betroffen sind eine Zukunft einzuräumen, in der diese Konflikte überwunden werden und ein Leben in Sicherheit und gegenseitiger Anerkennung als Menschen möglich ist. 

Zitierte Quellen:
1) ARD alpha (2022):
https://www.ardalpha.de/wissen/nobelpreis/nobelpreise-friedensnobelpreis-arafat-obama-abiy-preistraeger-100~_image-12_-17d059606253d233bd3b03e2f2d25ed04a8e8f71.html

2) ND-Aktuell (2023):
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1176163.israel-palaestina-jahre-oslo-abkommen-von-anfang-an-zum-scheitern-verurteilt.html

3) bpb (2008): https://www.bpb.de/themen/naher-mittlerer-osten/israel/45071/die-erste-intifada-und-das-friedensabkommen-von-oslo/

4) bpb (2020):
https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/275803/osloer-abkommen-als-meilensteine-im-nahost-friedensprozess/

5) Rosa Luxemburg Stiftung (2023): https://www.rosalux.de/news/id/50946

6) Oxfam Deutschland (2019): https://www.oxfam.de/ueber-uns/publikationen/26-jahre-oslo-abkommen-israel-palaestina-gerechter-frieden-trotz-scheitern 

Weitere Quellen:
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1417316/umfrage/opferzahlen-im-terrorkrieg-der-hamas-gegen-israel/

https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2024/05/angehoerige-prominente-freilassung-hamas-geiseln-berlin-mitte.html

https://www.dw.com/de/die-hamas-terror-und-wohlfahrtsorganisation/a-1872618

 
 

Datum: 30. Mai 2024

In meinem neuen Blogeintrag befasse ich mich mit dem Scheitern des Osloer Abkommens zwischen Israel und Palästina. "…

Gepostet von Marisa's Blog Diskussionsforum – Stiftung Gewaltfreies Leben am Sonntag, 2. Juni 2024