Sudan – eine humanitäre Katastrophe im Schatten und Folgen des Kolonalismus

Aktuelle Lage im Sudan

Seit einem Jahr herrscht im Sudan ein verheerender Bürgerkrieg, der das Land in eine große humanitäre Katastrophe stürzt. Laut einem UN-Bericht zur Lage im Sudan sind dort aktuell etwa 25 Millionen Menschen, davon mehr als 14 Millionen Kinder, auf humanitäre Hilfe angewiesen. Mehr als jeder Dritte sei von akutem Hunger betroffen, teilweise in lebensgefährlichem Ausmaß. Die Gewalt und die schlechte Versorgungslage führte außerdem zu einem Massenflucht. Nach Schätzungen sind zwischen 8 und 9 Millionen Menschen auf der Flucht, davon ein Großteil innerhalb des eigenen Landes. Bereits Anfang Dezember 2023 ging die WHO von mehr als 12.000 Toten in Folge des Konflikts aus. Ursache der hohen Todeszahlen ist auch die mangelhafte medizinische Versorgung durch den Zusammenbruch des Gesundheitssystems und die rasche Verbreitung von Krankheiten wie Cholera und Masern. Viele Verletzte und Erkrankte haben keinen Zugang zu Krankenhäusern und lebenswichtigen Medikamenten. Etwa zwei Drittel der Bevölkerung fehlt der Zugang zur Gesundheitsversorgung und in den Gebieten, die vom Konflikt betroffen sind, sind mehr als 70 Prozent der Gesundheitseinrichtungen nicht mehr funktionsfähig.

Zur Geschichte des Sudan

Der Sudan ist das drittgrößte afrikanische Land und in etwa fünf Mal so groß wie Deutschland. 2022 lebten etwa 46, 26 Millionen Menschen im Sudan. Bis 1956 stand das Land unter britischer Kolonialverwaltung und das Erbe des Kolonialismus ebnete den Weg für viele folgende Konflikte wie den Bürgerkrieg zwischen 1955 bis 1972 und den von 1983 bis 2005, welche etwa 1,5 Millionen Todesopfer hervorbrachten. Der Kolonialismus zwischen 1899 und 1956 führte zu einem ethnischen Spaltung und einer Trennung zwischen Nord- und Süd. Nachdem im November 1844 westliche Staaten Afrika unter sich aufteilten, mit Großbritannien, Deutschland, Frankreich und Portugal als treibende Kräfte, entstanden aus mehr als 1000 indigenen Kulturen 50 übergestülpte Länder, womit bereits zukünftigen ethnischen Konflikten und Kriegen der Weg geebnet wurde.

1886 wurde der Sudan erneut geteilt durch die Briten in den überwiegend arabischen Norden und den Süden, welche unterschiedlich politischen behandelt wurden und gegeneinander ausgespielt wurden. Im Jahr 1946 erklärten die Briten den Süden als  „unauflöslich, sowohl geographisch wie wirtschaftlich, mit dem Norden verbunden“ (AG Friedensforschung), was dazu führte, dass nach der Unabhängigkeit des Sudan im Jahr 1956 der Norden den Süden dominierte. Nach zwei Bürgerkriegen erreichte der Südsudan 2011 seine Unabhängigkeit, doch daraufhin kam es zu internen, gewalttätigen Auseinandersetzungen um die Aufteilung der Macht im Südsudan. Zwischen 2023 und 2018 herrschte dort ein Bürgerkrieg. Dabei wurden von beiden sich bekämpfenden Seiten Kriegsverbrechen begangen.

Wie es zu dem Konflikt kam

Der derzeitige Bürgerkrieg brach am 15. April 2023 in Khartum aus. Die Konfliktparteien sind die sudanesischen Streitkräfte (SAF für Sudanese Armes Forces) und die paramilitärischen Kräfte (RSF für Rapid Support Forces), welche 2023 vom damaligen Präsidenten al-Bashir in Form von paramilitärischen Sicherheitskräften gegen Aufständische eingesetzt wurden. Die Servicestelle Friedensbildung Baden Württemberg schreibt: „Diese paramilitärischen Kräfte gehen aus den „Dschandschawid“ hervor, welche bereits im Jahr 2003 durch al-Bashir in der westsudanesischen Region Darfur zur Unterdrückung eines Aufstandes eingesetzt wurden. Im Zuge des „Darfur-Kriegs“ kam es zu massiven Menschenrechtsverletzungen und Gewalt durch die Dschandschawid, die nach UN-Schätzungen 300.000 Menschen das Leben kostete“ (Servicestelle Friedensbildung Baden Württemberg). Der Dafur-Konflikt ist ein immer wieder aufkeimender Konflikt in der Region Dafur, der 2003 damit begann, dass afrikanische Rebellenorganisationen einen bewaffneten Widerstand gegen die Regierung Sudans führten, da sich die Eliten der Region von der politischen und wirtschaftlichen Teilhabe ausgeschlossen fühlten.

2018 bis Anfang 2019 fanden gewaltlose Massenproteste statt, unter anderem durch gestiegene Lebensmittelpreise in Folge von politischer Unterdrückung und Korruption. 2019 kam es zu einem Militärputsch durch die SAF und die RSF mit welchem der sudanesische Präsident al-Bashir abgesetzt wurde. Zuvor hatte dieser verfassungswidrig eine dritte Amtszeit angestrebt. Im Zuge dessen bildete sich ein Übergangsrat aus militärischen und zivilen Vertretern, welche das Land stabilisieren sollten und Wahlen im Jahr 2022 organisieren sollen. Abdala Hambdok wurde zum Premierminister der Übergangsregierung ernannt. Im Juni 2019 kam es erneut zu Protesten, bei welcher die Demonstrierenden darauf drängten, dass eine vollständig zivile Regierung errichtet wird. Die RSF schlägt die Proteste in Karthum gewalttätig nieder, wodurch hunderte verletzt werden oder sterben. 2021 wird Hamdok durch einen gemeinsamen Militärputsch der SAF und RSF gestürzt. Der SAF-General al-Burhan wird als Machthaber bestimmt. Daraufhin kommt es zu Festnahmen von zivilen politischen Führern und Protesten gegen das Militärregime, welchen ebenfalls mit Gewalt gegen Demonstrierende begegnet wird. 2022 bestand kurz Hoffnung, als man sich auf ein Rahmenabkommen einigen konnte, welche innerhalb von zwei Jahren Wahlen und den Übergang zu einer zivil-demokratischen Regierung festlegte. Am 15. April 2023 eskalierte dann die Lage, als sich in Khartum Kämpfe zwischen der SAF und RSF abspielten.

Fazit

Der Sudan weist eine konfliktreiche Geschichte aus, was auch ein Ausdruck der zerstörerischen und destabilisierenden Folgen des Kolonialismus ist. Auch heute noch ist der Sudan ein „Spielball äußerer Interessen“ (Udo Schmidt, Tagesschau 2024) Akteure aus dem Ausland üben Einfluss auf die Konfliktparteien aus und unterstützen diese aktiv: „Ägypten steht bspw. aufseiten der SAF, während die arabischen Golfstaaten aktuell die RSF unterstützen, um ihre jeweiligen politischen und ökonomischen Interessen zu verfolgen.“ (Servicestelle Friedensbildung Baden-Württemberg) Bei einer Hilfskonferenz in Paris wurden dem Sudan nun zwei Milliarden Euro an Hilfe zugesprochen, Deutschland beteiligt sich dabei mit 244 Millionen, während die USA sich nur mit 138 Millionen beteiligt. Es bleibt zu hoffen, dass sich Friedensansätze finden, um die immer wieder aufkeimenden gewalttätigen Konflikte innerhalb des Landes zu verhindern und den Krieg zu beenden und sich die humanitäre Situation im Sudan verbessert durch gezielte Hilfen. Es handelt sich um eine gigantische humanitäre Katastrophe, die leider im Schatten anderer Kriege viel zu wenig Beachtung findet.

Quellen:

AG Friedensforschung: Sudan/ Südsudan: Die tödlichen Folgen des Kolonalismus: http://www.ag-friedensforschung.de/regionen/Suedsudan1/hallinan.html#:~:text=Die Künstlichkeit der ursprünglichen Schaffung,Millionen Menschen das Leben kosteten

BPD (2024): Bürgerkrieg im Sudan: https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/547373/buergerkrieg-im-sudan/

BPD (2021) Südsudan: https://www.bpb.de/themen/kriege-konflikte/dossier-kriege-konflikte/228561/suedsudan/

DW (2022): Dafur – die Gewalt und ihre Gründe: https://www.dw.com/de/darfur-die-gewalt-und-ihre-gründe/a-61611740

Servicestelle Friedensbildung Baden-Württemberg: Sudan- eine Konfliktanalyse aus friedenspädagogischer Sicht https://www.friedensbildung-bw.de/sudan-krieg#c102696

Tagesschau (2023): WHO geht von mehr als 12.000 Toten im Sudan aus: https://www.tagesschau.de/ausland/afrika/sudan-who-100.html#:~:text=Seit fast acht Monaten kämpft,12.000 Menschen ums Leben gekommen.

Tagesschau (2024): 25 Millionen Menschen brauchen dringend Hilfe: https://www.tagesschau.de/ausland/afrika/sudan-384.html

Tagesschau (2024) Zwei Milliarden Euro Hilfe für den Sudan: https://www.tagesschau.de/ausland/sudan-konferenz-100.html#:~:text=Geberkonferenz in Paris Zwei Milliarden Euro Hilfe für den Sudan&text=Millionen Sudanesen sind auf der,als zwei Milliarden Euro zu.

Tagesschau (2024): Zehntausenden Kindern im Sudan droht Hungertod: https://www.tagesschau.de/ausland/afrika/sudan-unicef-hunger-kinder-100.html

Datum: 31. Oktober 2022

Hey 🙂 Danke schon Mal, dass ihr der Einladung gefolgt seid. Ich hab bisher kaum jemanden eingeladen, gerade ist der...

Gepostet von Marisa Blog - Stiftung Gewaltfreies Leben am Donnerstag, 27. Oktober 2022