„Sparen! Sparen! Sparen!“ so lautet das Mantra aus der Politik. Die Schuldenbremse, welche 2009 beschlossen wurde, wird als alternativlos dargestellt.
Dabei ist es belegbar, dass eine Austeritätspolitik negative wirtschaftliche, soziale sowie humanitäre Folgen mit sich bringt.
Ein nicht lange zurückliegendes Beispiel für die negativen Folgen der Austeritätspolitik stellt die Finanzkrise 2008 dar und der Vergleich der unterschiedlichen Strategien der Bewältigung zwischen der USA und der Eurozone. Während die Eurozone auf einen radikalen Sparkurs setzte, versuchten die USA die Krise durch „eine expansive Geld- und Fiskalpolitik“ (Bsirske, Busch 2018, S. 522) Dies führte dazu, dass in den USA die Nachfrage gestützt wurde und die Krise im Vergleich zum europäischen Raum schneller überwunden werden konnte. Bereits ab 2010 trat in den USA eine Erholung ein und bis zum Jahr 2016 konnte die Arbeitslosenquote von 9,6 % auf 4,9 % verringert werden, während die in der Eurozone im selben Zeitraum nur minimal von 10,2 % auf 10 % rutschte. Obwohl Ländern wie Schweden in Anbetracht der Wirtschaftskrise mit einer „Wachstumsstrategie ohne brutale soziale Kosten“ reagierte, setzte sich unter Führung von Deutschland eine europäische Sparpolitik durch, bei welcher den südeuropäischen, verschuldeten EU-Länder wie z.B. Griechenland ein radikaler Sparkurs aufgezwungen wurde. Stets wurde gepredigt, dass nur radikale Kürzungen des öffentlichen Haushalts mit einhergehendem Abbau des Sozialstaates, die Krise beenden könnten. Dies führte natürlich nicht zu einer Verbesserung der Situation der Bevölkerung, sondern verschärfte die Krise. Die Arbeitslosenquote stieg in Griechenland, Spanien, Italien und Portugal und lag 2017 über der Rate von 2008. Gleichzeitig kam es zu Kürzungen des Sozialstaates in Form der Arbeitslosenunterstützung, Rente und Ausgaben für die Gesundheit. In 12 von 28 EU-Staaten sank das Niveau der Reallöhne innerhalb der Krisenzeit und die Tarifmacht der Gewerkschaften nahm in einigen Ländern an, besonders in Ost- und Mitteleuropa. (vgl. Bsirkse, Busch 2019)
Doch auch in der deutschen Vergangenheit lassen sich verheerende Folgen eines Sparkurses feststellen. Forschende des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) konnten aufzeigen, dass die Austeritätspolitik der Weimarer Republik zwischen 1930 und 1932 unter Heinrich Brünings die Wirtschaft massiv schächte und die Arbeitslosenquote erhöhte. Juli 1930, mitten in einer Wirtschaftskrise nach der Großen Depression seit dem New Yorker Börsencrash im Oktober 1929, wurde die Notverordnung verkündet, mit welcher die Steuern und Beiträge in Kranken- und Arbeitslosenversicherung für Arbeitnehmer im öffentlichen erhöht sowiedie Löhne verkürzt wurden und eine Verschärfung der Anspruchskriterien für Sozialleistungen stattfand und diese zusätzlich gesenkt wurden. So wurden 1931 z.B. die Leistungen der Arbeitslosenversicherung um 5 % gekürzt, während noch im selben Jahr die Arbeitslosenversicherung auf ein Maximum von zwanzig Wochen reduziert wurde. Durch die Notverordnung sank die reale Wirtschaftsleistung um 4,5 % und führte 3,31 Millionen Menschen in die Arbeitslosigkeit. Die Forschenden kommen zu dem Schluss, dass die Unbeliebtheit der Sparpolitik von Brüning mit zu einer „Radikalisierung der Weimarer Gesellschaft“ (Ettmeier, Kriwoluzsky 2022) führten. Die NSDAP konnte mit dem Werben für ein Ende der Sparmaßnahmen mehr Wähler für sich gewinnen. Mai 1928, also vor dem Börsencrash, erhielt die NSDAP bei der Reichstagswahl ein Ergebnis von unter 3 %. Nur ein halbes Jahr nachdem Brüning im September 1930 Kanzler wurde, gewannen sie bereits 18,3 % der Stimmen. Zwei Monate nach Brünings Rücktritt im Mai 1932 lagen sie bei 37 %. Nur ein halbes Jahr später im Januar 1933 wurde Hitler zum Reichskanzler ernannt. (vgl. Ettmeier, Kriwoluzsky 2022) Natürlich handelte es sich hierbei nicht um die einzige Ursache für den Aufstieg Hitlers und des Nationalsozialismus, sondern um einen Faktor der dazu beigetragen hat, allerdings belegen Studien „dass Austerität mit einem Erstarken rechter Parteien einhergeht.“ (Kaufmann 2024) So kommt eine Untersuchung von Gabriel et. Al in 124 Regionen aus acht europäischen Ländern zwischen 1980 und 2015 zu dem Schluss dass die Sparpolitik nicht nur zu einer Verringerung der Wirtschaftsleistung, Löhne sowie Investitionen führe und die Arbeitslosenquote steigen lässt, sondern auch ein starker Anstieg der Stimmen für rechte Parteien, eine geringere Wahlbeteiligung und ein Anstieg „der politischen Fragmentierung“ (Kaufmann 2024) zu verzeichnen war. Eine Studie von Baccini und Sattler kann aufzeigen, dass populistische Parteien während Sparmaßnahmen besonders in wirtschaftlich schlechter gestellten Regionen mit einem besonders hohen Anteil aus Arbeitern in einer prekären Arbeitssituation, welche auch aus Kostensenkungsmaßnahmen ihrer Unternehmen resultiert, viele Stimmen gewinnen.
Die Beziehung zwischen Sparpolitik und der Stärkung rechter Parteien ist komplex und kann durch verschiedene soziale, wirtschaftliche und politische Faktoren beeinflusst werden.
Wirtschaftliche Unsicherheit und Sparpolitik:
Sparpolitik, oft in Form von Haushaltskürzungen und Austeritätsmaßnahmen, kann zu Unsicherheit und Unzufriedenheit führen. Wenn Menschen Arbeitsplätze verlieren, Sozialleistungen gekürzt werden und die öffentliche Infrastruktur leidet, suchen sie nach Erklärungen und Lösungen für ihre verschlechterte Lebenssituation. Das ewig gepriesene Mantra des Sparens und das Predigen der Alternativlosigkeit lässt viele die Ursachen nicht erkennen. Statt die neoliberale Politik in Frage zu stellen wird nach einem Sündenbock gesucht.
Suche nach Sündenböcken:
In solchen Zeiten können rechtspopulistische Parteien Sündenböcke präsentieren, indem sie komplexe wirtschaftliche Probleme vereinfachen und bestimmte Gruppen (wie Einwanderer oder Arbeitslose) für die negativen Auswirkungen der Sparpolitik verantwortlich machen. Dies kann zu einer erhöhten Unterstützung für diese Parteien führen, da sie einfache Antworten liefern, die jedoch nicht der Realität entsprechen.
Das Paradoxon der rechtspopulistischen Sparpolitik:
Es ist paradox, dass rechtspopulistische Parteien, die oft selbst Sparmaßnahmen befürworten, von den gleichen Politiken profitieren können, die die Situation von Arbeitnehmern und bedürftigen Menschen verschlechtern. Sie tun dies, indem sie sich als Verteidiger des „kleinen Mannes“ positionieren, während sie gleichzeitig Politiken unterstützen, die zu weiteren Kürzungen führen können. Gerne präsentieren sie sich auch als Anti-Establishment, was jedoch nur eine verlogene Selbstinszenierung darstellt, da rechte Parteien keinesfalls anti-elitär sind, sondern nur eine Verschiebung hin zu einer vorherrschenden Stellung einer rechten Elite erreichen wollen.
Gerade viele jener, die rechte Parteien aus Enttäuschung über die Verschlechterung ihrer Lebenssituation oder Existenzängsten wählen, würden von rechter Politik besonders viele Nachteile erfahren.
Austeritätspolitik beruht nicht auf falschen wirtschaftlichen Annahmen. Austeritätspolitik ist wie es Max Hauser in Jacobin bezeichnet „Klassenkampf von oben“. In einer Krise zu sparen und somit die Lebenssituation vieler Menschen zu verschlechtern hat nicht nur wirtschaftlich keinen Nutzen, es ebnet auch den Weg für einen weiteren Rechtsruck, der sich nicht nur im Aufstieg rechter Parteien wie der AFD äußert, sondern auch die sogenannte „bürgerliche Mitte“ weiter nach rechts verschiebt.
Quellen:
Frank Bsirske, Klaus Busch (2018): Die sozialen und politischen Kosten der Austeritätspolitik – Schwächung der Gewerkschaften und Stärkung des Rechtspopulismus (wsi.de): https://www.wsi.de/data/wsimit_2018_06_bsirske.pdf
Stephanie Ettmeier,Alexander Kriwoluzky (2022) Austeritätspolitik der Ära Brüning hat den Wirtschaftseinbruch verstärkt und die Arbeitslosigkeit erhöht – DIW Wochenbericht; https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.842834.de/22-24-1.pdf
Stephan Kaufmann (2024): Macht Sparen rechts? Und warum? – Politik & Ökonomie Blog: https://politischeoekonomie.com/macht-sparen-rechts-und-warum/
Max Hauser (2023): Austerität ist Klassenkampf von oben | JACOBIN Magazin: https://jacobin.de/artikel/austeritaet-ist-klassenkampf-von-oben-sparpolitik-inflation-christian-lindner-lars-feld-clara-matei-maximilian-hauser
Datum: 24. März 2023
Hey 🙂 Danke schon Mal, dass ihr der Einladung gefolgt seid. Ich hab bisher kaum jemanden eingeladen, gerade ist der...
Gepostet von Marisa Blog - Stiftung Gewaltfreies Leben am Donnerstag, 27. Oktober 2022