Der Bericht zur sozialen Ungleichheit, den OXFAM 2024 veröffentlichte, ist erschreckend. Während die fünf reichsten Personen weltweit ihr Vermögen seit dem Jahr 2020 verdoppeln konnten, sind beinahe fünf Milliarden Menschen im selben Zeitraum ärmer geworden. Der Gewinn der fünf Reichsten würde umgerechnet 14 Millionen US-Dollar pro Stunde entsprechen. Zusammengerechnet haben alle Milliardäre 3,3 Billionen US-Dollar (34 Prozent) Vermögen dazugewonnen seit 2020. Die 148 größten Konzerne im globalen Kontext konnten ihre Nettogewinne um 52,6 Prozent steigern im Vergleich zu den durchschnittlichen Nettogewinnen zwischen 2018 und 2021. In Deutschland zeigten sich auch drastische Zahlen auf. Hier konnten seit 2020 die fünf reichsten Deutschen ihr Vermögen von ca. 89 Milliarden auf 155 Milliarden Dollar steigern. Sie besitzen zusammen mehr als die ärmere Hälfte der Bevölkerung.
Aktuell besitzt die untere Hälfte der Weltbevölkerung nicht einmal ein Prozent des Gesamtvermögens. Die oberen 1 Prozent weltweit besitzen währenddessen fast die Hälfte des Gesamtvermögens. OXFAM bezeichnet diese gravierende Ungleichheit als eines der größten Probleme unserer Gegenwart, welches die Gesellschaften vor immer mehr Konflikte stellt. Auch die Demokratie ist laut OXFAM durch diese immer größer werdende soziale Ungleichheit gefährdet. Wirtschaftliche und politische Entscheidungen sowie die Folgen von Kriegen, die Nachwirkungen der Pandemie und der Anstieg der Inflation sind die Ursache, warum die Schere zwischen Arm und Reich immer größer wird und immer mehr Menschen an den Folgen dieses Effektes leiden. Doch ein ganz entscheidender Faktor ist auch die Steuerpolitik.
Ein Grund dafür ist die hegemoniale neoliberale Politik, die aus wirtschaftlich nicht einmal sinnvollen Intentionen Privatisierungen, Sozialstaatsabbau, Austeritätspolitik und Steuersenkungen für Reiche weiter voranbringt. Diese wirtschaftliche Ausrichtung hat den Effekt, dass eine massive Umverteilung von unten nach oben stattfindet. Dies zeigte sich schon bei dem ersten Modellversuch des Neoliberalismus in Chile unter dem Diktator Pinochet ab 1973, welcher mit der Unterstützung von Milton Friedman neoliberale Maßnahmen in Chile implementierte . Das führte dazu, dass die Einkommen der reichsten Chilenen um 83 Prozent gestiegen waren und etwa die Hälfte der chilenischen Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebte.
Besonders die neoliberale Steuerpolitik in vielen Ländern unter anderem auch Deutschland ist eine sehr bedeutende Ursache für die Verschärfung der sozialen Probleme.
Das Steuersystem ist mit eines der wichtigsten Instrumente, um sozialer Ungleichheit entgegenzuwirken. Seit Anfang der 1980er Jahre, also auch der Zeit in der erstmals neoliberale Maßnahmen im westlichen Raum eingeführt wurden, ging auch die Steuerprogression zurück, das heißt für Reiche kam es zu Steuersenkungen, jedoch sind gleichzeitig die Steuern für die breite Masse angestiegen. Die neoliberale Wirtschaftslogik suggerierte den sogenannten Trickle Down Effekt, der behauptet, dass ein Einkommenswachstum der oberen Mitgliedern der Gesellschaft zu einem Durchsickern zu den ärmeren Teilen der Gesellschaft und der Mittelschicht führen würde, wodurch diese davon profitieren, wenn Steuern für Reiche gesenkt werden. Heute kann man diese Annahme sehr gut widerlegen. Trotzdem wird heute gerne noch damit argumentiert, dass höhere Steuern für Reiche der Wirtschaft schaden würden.
Doch es lässt sich sogar belegen, dass höhere Steuern für Reiche nicht schädlich für die Wirtschaft sind, sondern im Gegenteil sogar die Wirtschaft fördern. Zahlen belegen, dass eine Senkung der Körperschaftssteuer von Unternehmen nicht wie suggeriert wurde zu einer Steigerung der Investitionen führte, sondern diese sich sogar reduzierten. So lag der Anteil an Investitionen des BIP von 25 Prozent im Jahr 1981 auf 21 Prozent im Jahr 2020 reduziert. Der französische Ökonom Thomas Piketty zeigte auf, dass in den Länder, in denen die Spitzensteuersätze der Einkommensteuer seit den 1980er Jahren am stärksten gesenkt wurden, die Kapitalkonzentration hin zu den oberen 10 Prozent der Einkommensbezieher am höchsten gestiegen ist. Die London School of Economic brachte eine Studie heraus, die belegt, dass Steuersenkungen für Vermögende nicht zu einer Verbesserung auf Wachstum oder einer Senkung der Arbeitslosigkeit führen, jedoch die Ungleichheit verstärken. Dadurch wirken sich Steuersenkungen indirekt negativ auf Wachstum und Beschäftigung aus, da die Steigerung der Ungleichheit zu einem Nachfragerückgang führt und dies negativ für die Wirtschaft ist. Das linke Magazin Jacobin schreibt dazu: „Da die Konsumneigung bei niedrigen Einkommensgruppen höher ist als bei hohen Einkommensgruppen, sinkt die Nachfrage für Güter und Dienstleistungen, wenn die Ungleichheit steigt. Und der Nachfragerückgang bremst die realen Investitionen aufgrund gesunkener Gewinnerwartungen.“ (Jacobin 2021)
Aus wirtschaftlicher Sicht macht es also keinen Sinn auf einen Rückgang der Steuerprogression zu setzen. Eine Verstärkung der ökonomischen Ungleichheit hat einen negativen Effekt und kann ohne eine Anpassung des Steuersystems unter den gegebenen Bedingungen nicht effektiv bekämpft werden. In Deutschland wird auch gerne argumentiert, dass Reiche einen Großteil der Steuerlast tragen würden, allerdings ist es so, dass Arbeit in Deutschland viel stärker besteuert wird als Vermögen und Reiche dadurch, dass sie sich teure Steuerberater leisten können mehr Lücken in dem komplizierten Steuersystem ausfindig machen können um wiederum Geld zu sparen und daran dass Kapitalerträge niedriger besteuert werden und in Deutschland die Vermögenssteuer 1996 ausgesetzt wurde. Etwa 30 Prozent seines Bruttoeinkommens muss ein durchschnittlicher Verdiener in Deutschland von seinem Lohn abgeben, während das Netzwerk für Steuergerechtigkeit berechnet hat, dass die Abgaben bei Millionären insgesamt nur bei 24 Prozent liegen. Im weltweiten Kontext zeigt sich auch auf, dass die Steuern für Milliarden Menschen stiegen, während Konzerne und reiche Individuen von den sinkenden Steuersätzen profitierten zulasten des Allgemeinwohls. OXFAM schreibt: „Heute stammen gerade einmal vier Prozent der Steuereinnahmen weltweit aus Abgaben auf Vermögen. Zum Vergleich: Zwischen 1990 und 2017 hat sich die Zahl der Länder, die eine Mehrwertsteuer erheben, von 50 auf mehr als 150 verdreifacht und Verbrauchssteuern stellen mit 44 Prozent den größten Anteil der Steuereinnahmen weltweit.“ (OXFAM 2024)
Deswegen werden Forderungen für eine umfassende Steuerreform immer lauter. Eine Vermögenssteuer könnte jährlich hunderte Milliarden Euro einbringen, die für wichtige Bereiche wie Sozialausgaben, Investitionen in die öffentliche Infrastruktur, Klimaschutz, Bildung, medizinische Versorgung und die Bekämpfung der immer größer werdenden Kluft zwischen Arm und Reich eingesetzt werden könnte. Um Steuerflucht zu verhindern würde eine Vermögenssteuer im globalen Kontext natürlich am meisten Sinn machen, doch auch auf lokaler Ebene wäre es möglich Reformen einzuführen. Das Schreckgespenst der Massenabwanderung von Reichen nach einer Steuerreform, welche diese mehr zur Kasse bittet, ist auch nicht belegt. So schreibt Jacobin: „Deutschland verfügt zudem über weitere institutionelle Vorteile, die eine Kapitalflucht aufgrund höherer Steuersätze unwahrscheinlich machen. Denn wenn höhere Steuern für Reiche öffentliche Investitionen und Beschäftigung finanzieren, dann entstehen höhere Gewinnerwartungen, wodurch eine Abwanderung ins Ausland kaum ratsam wäre.“ (Jacobin 2024) Auch auf EU-Ebene wäre eine Vermögenssteuer denkbar und würde laut Berechnungen von OXFAM jedes Jahr 285,6 Millarden Euro, davon 85,2 Milliarden allein in Deutschland einbringen. Menschen, die weniger als 4,6 Millionen Euro Vermögen besitzen, wären im Modell von OXFAM nicht betroffen von der Abgabe, was den allergrößten Teil der Gesellschaft ausmacht.
Auch die Erbschaftssteuer müsste reformiert werden um Menschen mit Millionen Erben stärker in die gesellschaftliche Verantwortung zu ziehen. Viele Superreiche sind nur durch Erbschaften zu diesem Status gelangt. Einer Studie der Schweizer Großbank UBS zeigt auf, dass von den 137 Personen, die zwischen April 2022 und April 2023 zu Milliardären wurden, 53 durch durch Erbschaften diesen Status erlangten. Schätzungen zufolge werden in den nächsten 20 Jahren 1000 Milliardäre 5,2 Billionen Dollar vererben.
Ein wichtiger Punkt wäre es auch die Spitzensteuersätze anzuheben, jedoch die Einkommensgrenze dafür höher zu setzen. Aktuell wird der Spitzensteuersatz von 42 Prozent bereits bei einem Einkommen von 66,761 Euro erreicht. Mit einer Steuerreform könnte man dafür sorgen, dass geringe und mittlere Einkommen mehr entlastet werden und damit Arbeit sich zum einen wieder mehr lohnen würde und die Kaufkraft der Betroffenen steigt, während gleichzeitig der sozialen Ungleichheit zwischen Gering- und Spitzenverdienern entgegengewirkt werden könnte. Gleichzeitig müssten natürlich die Löhne im derzeitigen Niedriglohnsektor erhöht werden, was durch Steuersenkungen für kleine und mittlere Unternehmen diese auch nicht finanziell zu stark belasten würde. Zudem müsste es geschafft werden Schlupflöcher im Steuersystem konsequent zu schließen und härter gegen Steuerhinterziehung, -vermeidung und -abwanderung vorzugehen. AUch dafür gibt es bereits Ideen für effektive Instrumente, die dies ermöglichen würden.
Der letzte jedoch nicht abschließende Punkt den ich benennen möchte ist eine Reform der Verbrauchersteuern. So fordern einige Verbände eine Abschaffung der Mehrwertsteuer für Grundnahrungsmittel, um Haushalte mit geringem Einkommen zu entlasten. Gerade Haushalte mit niedrigem und mittlerem Einkommen geben einen hohen Prozentsatz ihres Einkommens für Konsum aus, während es bei hohen Einkommen und Vermögen natürlich ein prozentual viel viel geringerer Anteil aus. Die Kosten davon würden laut dem Handelsblatt (2023) bei 16 Milliarden Euro liegen. Wie bereits erwähnt würde eine EU-weite Reform der Vermögenssteuer allein in Deutschland 85,2 Milliarden einbringen. Steuertricks kosten Deutschland im Vergleich laut der Süddeutschen Zeitung (2023) jährlich 26 Milliarden Dollar. Eine Aussetzung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel wäre also ohne Einbußen für den Staatshaushalt reformierbar, wenn man gleichzeitig andere Reformen umsetzt, die möglich machen, dass die Steuerlast umverteilt wird.
Reiche Menschen und große Unternehmen müssen endlich mehr in die Verantwortung gezogen werden den gegenwärtigen Krisen dieser Zeit entgegenzuwirken. Während es so viel Elend und Not auf der Erde gibt und auch in reichen Ländern wie Deutschland immer mehr Menschen Armut und Existenzängsten entgegen blicken müssen, ist es an der Zeit etwas an der derzeitigen ökonomischen Bedingungen zu verändern.
Quellen:
Jacobin (2024): Höhere Steuern für Reiche schaden der Wirtschaft nicht, sondern fördern sie | JACOBIN Magazin
OXFAM (2024): bericht_hohe_vermoegen_in_europa_gerecht_besteuern_deutsch.pdf (oxfam.de)
OXFAM (2024): Soziale Ungleichheit (oxfam.de)
OXFAM (2024): Bericht zur sozialen Ungleichheit 2024: Inequality Inc. (oxfam.de)
MDR (2023): Wachsende Ungleichheit: Wie das deutsche Steuersystem Reiche bevorteilt | MDR.DE
MDR (2023): Vermögen in Deutschland sehr ungleich verteilt | MDR.DE
Theorieblog (2014): Piketty-Buchforum (4): Warum die Steuerpolitik der letzten drei Dekaden die Ungleichheit befördert hat und wie man dagegen vorgehen sollte – theorieblog.de
GEW (2017): Verheerende Bilanz des Neoliberalismus | GEW – Die Bildungsgewerkschaft
Claus von Wagner (2017): anstalt-20171107-faktencheck.pdf (claus-von-wagner.de)
Tagesschau (2023): UBS-Studie: Zahl der Milliardäre durch Erbschaften wächst | tagesschau.de
Tagesschau (2022): Ruf nach Mehrwertsteuer-Aus für Grundnahrungsmittel | tagesschau.de
Süddeutsche Zeitung (2023): Steuertricks von Konzernen und Superreichen kosten Deutschland 26 Milliarden Dollar – Wirtschaft – SZ.de (sueddeutsche.de)
Datum: 31. Juli 2024
Hey 🙂 Danke schon Mal, dass ihr der Einladung gefolgt seid. Ich hab bisher kaum jemanden eingeladen, gerade ist der...
Gepostet von Marisa Blog - Stiftung Gewaltfreies Leben am Donnerstag, 27. Oktober 2022