Die vergessenen Opfer des Nationalsozialismus

Lange kämpften Überlebende und Hinterbliebene um die Anerkennung von Opfern von Zwangssterilisation und Euthanasie als NS-Verfolgte. (Psychisch) Kranke Menschen und Menschen mit Behinderung bleiben somit eine Gruppe unter den Opfern des Nationalsozialismus, die im Gegensatz zu anderen Verfolgten keine gleichwertige Entschädigung erhalten haben.
Ruthe Frink, ein geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener (BPE) plädiert in einer Rede einer Gedenkveranstaltung des dgppn für die Anerkennung der Geschädigten „Diesen Opfern muss endlich Ihre Würde zurückgegeben werden und das geht nur durch Gleichstellung mit den anderen Opfergruppen.“ Auch ein Antrag der Linksfraktion, der im September 2022 zu einer öffentlichen Anhörung führte, konnte trotz Expertenmeinungen, die sich für eine Anerkennung aussprechen, nicht zu einer Gleichstellung führen.
 
Man geht heute davon aus, dass 300.000 Menschen Opfer der „Eugenik“-Morde wurden und 400.000 Menschen zwangssterilisiert wurden. Zurück ging diese Entscheidung auf den Erlass von 1933 zur „Verhütung erbkranken Nachwuchses“. Zu der Opfergruppe gehörten nicht nur Menschen mit Behinderung oder chronischen Erkrankungen, sondern auch sogenannte „Asoziale“, wie Fürsorgeempfänger, Menschen mit Suchtproblemen und Langzeitsarbeitslose.
Laut der Arbeitsgemeinschaft Bund der „Euthanasie“ Geschädigten und Zwangssterilisierten wurde die Entschädigung nach dem Bundesentschädigungsgesetz erstmals 1961 bei einem geheim tagenden Ausschuss abgelehnt. Allerdings seien 3 der 7 eingeladenen Gutachter selbst NS-Täter gewesen. 1965 treten Härteausgleichleistungen für Geschädigte in Kraft, welche allerdings nur unter sehr schweren und eingeschränkten Voraussetzungen erreichbar sind und nicht mit der Entschädigung anderer Opfergruppen vergleichbar sind. Ab 1980 sind erstmals Entschädigungen in Form einer Einmalzahlung möglich, welche jedoch mit einer Vereinbarung zur Abgeltung aller Ansprüche aus der Zwangssterilisation verbunden ist. Zudem würden Opfer zur Begutachtung häufig ehemaligen NS-Ärzten gegenüberstehen. Es folgten schleppende Entwicklungen, welche hier: https://www.euthanasiegeschaedigte-zwangssterilisierte.de… nachgelesen werden kann.
 
Heute leben nur noch wenige statistisch erfasste Opfer dieser Gräueltaten. Hinterbliebende haben nach wie vor nur unter sehr eingeschränkten Bedingungen Ansprüche auf Entschädigung. Auch im öffentlichen Diskurs gehört die Gruppe der Geschädigten zu einer unterrepräsentierten Opfergruppe. Menschen mit Behinderung, chronischen Erkrankungen oder Menschen, die von Sucht oder Arbeitslosigkeit betroffen sind haben auch in der heutigen Zeit mit Stigmata zu kämpfen. Zwar sind sie in Deutschland keiner Verfolgung mehr ausgesetzt, müssen jedoch immer noch damit kämpfen als Menschen zweiter Klasse wahrgenommen zu werden. Eine stärkere Repräsentation der Opfer von Zwangssterilisation und Eugenik in öffentlichen Diskursen und eine Gleichstellung mit anderen Opfergruppen könnte die furchtbaren Verbrechen zwar nicht wieder gutmachen, aber dazu beitragen die Nachwirkungen dieser Sichtweise, die bis in die heutige Zeit reichen, abzumildern und ein größeres Bewusstsein zu schaffen.
Nie wieder darf sich eine solche menschenverachtende Zeit wiederholen!

Datum: 21. Oktober 2023

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Gepostet von Marisa's Blog Diskussionsforum - Stiftung Gewaltfreies Leben am Samstag, 21. Oktober 2023