Mein Herz blutet, wenn ich die Bilder aus Gaza sehe. Jeden Tag folgt eine drastische Meldung auf die nächste. Meldungen, wie dass mal wieder ein paar dutzend Menschen bei einem israelischen Angriff getötet wurden, sind zu einer alltäglichen Normalität geworden und werden von vielen nur noch am Rande vernommen. Summiert man die Opfer der Angriffe und die indirekten Tote könnte die Todeszahl mittlerweile insgesamt bei über 210.000 für immer ausgelöschten Existenzen liegen und dies selbst bei einer vorsichtigen Schätzung.
Studie von The Lancet zu indirekten Todesopfern in Gaza
Juli 2024 veröffentlichte das medizinische Fachjournal The Lancet eine alarmierende Studie, die zu dem Ergebnis gelangt, dass die tatsächliche Todeszahl in Gaza weit über der Prognose liegen könnten. Unter Einbeziehung indirekter Todesfälle durch den Krieg gelangen sie zu einer Schätzung von 186.000 Toten. Da die Wissenschaftler Rasha Khabtib, Martin McKee und Salim Yusuf die Zahlen vorsichtig ansetzten, könnte die tatsächliche Anzahl noch deutlich höher liegen.
Um ihre Schätzung zu begründen betrachteten sie die Rate indirekter Todesfälle in anderen jüngeren gewalttätigen Auseinandersetzung. Diese lag zwischen dem Drei- und 15-fachen der Anzahl der direkten Todesfälle. Sie legten einen niedrig angesetzten Wert von vier indirekten Todesfällen pro direkten Todesfall fest und kamen anhand der bis dato 37 396 gemeldeten Todesfälle auf eine geschätzte Anzahl von 186 000 oder sogar mehr Todesfällen, welche auf den bestialischen Krieg in Gaza zurückzuführen sind. Ausgehend von der geschätzten Einwohneranzahl des Gazastreifens im Jahr 2022 von 2 375 259 Einwohnern, würde dies 7,9% der Gesamtbevölkerung des Gazastreifens ausmachen. Nun mehr als drei Monate nach Veröffentlichung der Studie am 25.10.2024 liegt die offizielle Angabe für die Todeszahl des Ministry of Health in Gaza bei 42.718 Toten und somit über 5300 Tote höher als im Juli 2024. Legt man hier den Wert von vier erneut an kommt man auf eine geschätzte Anzahl von über 21.200 weiteren Todesfällen. Somit könnte die Todeszahl bei über 200.000 liegen, wenn man von der vorsichtigen Schätzung ausgeht.
Eine genaue Zählung der direkten und indirekten Toten in Gaza ist derzeit schwierig, das räumen auch die Autoren der Studie ein. Auch die Zahlen des Ministry of Health könnten zu niedrig angesetzt sein, da bereits im Februar 2024 35 Prozent der Gebäude in Gaza zerstört waren, wodurch es plausibel ist davon auszugehen, dass mehr als 10.000 unter den Trümmern begraben liegen.
Verhältnis von Zivilisten und Kämpfern
Auch wenn wir die genaue Todeszahl nicht kennen und die israelische Regierung und des Angaben aus Gaza sich deutlich unterscheiden, räumte selbst Netanjahu im P odcast „Call me Back“ im Mai 2024 ein, dass zu diesem Zeitpunkt mehr Zivilisten gestorben seien als Kämpfer. Er behauptet es seien 14.000 Kämpfer und 16.000 Zivilisten getötet wurden. Besonders zynisch war dabei, dass er dieses Verhältnis als eher positiv betrachtete. Diese Zahlen sollten jedoch mit großer Vorsicht betrachtet werden, da die tatsächliche Anzahl an direkten Toten und der Anteil an Zivilisten darunter deutlicher höher liegen könnte und das Ausmaß der Zerstörung der zivilen Infrastruktur in Gaza sehr plausibel macht, dass die Zahlen der israelischen Seite zu niedrig angesetzt sind. Und betrachtet man die Tatsache, dass Zivilisten in besonderem Ausmaß, den indirekten Folgen des Krieges wie Unterernährung, fehlender medizinischer Versorgung und der allgemeinen katastrophalen humanitären Situation im Gaza Streifen ausgesetzt sind dürfte der Anteil ziviler Tote unter der Gesamtzahl an direkten und indirekten Toten in einem größeren Verhältnis stehen.
60 Prozent der Deutschen gegen Waffenlieferungen an Israel
Obwohl laut einer Forsa-Umfrage für den Stern 60 Prozent der Deutschen Rüstungsexporte nach Israel ablehnen und nur 31 Prozent Zustimmung äußerten, genehmigt Deutschland diesen Monat eine Ausweitung der Waffenlieferungen an Israel im Wert von 94,05 Millionen. Deutschland ist der zweitgrößte Waffenexporteur an Israel hinter den USA, auf welche 69 Prozent der Waffenlieferungen fallen. Deutschland liefert 30 Prozent der Waffen. Deutschland und die USA stehen in der Position damit direkt den Krieg beeinflussen zu können indem sie die Entscheidung treffen Israel keine Waffen mehr zu liefern und sich daran beteiligen Israel aufgrund der Verbrechen gegen das Völkerrecht anzuklagen. Immer wieder machen israelische Politiker und Militärs mit einer Sprache des Völkermords auf sich aufmerksam. Eine Zusammenstellung von Zitaten, die deutlich machen, dass Menschen aus Palästina unter Kollektivschuld gestellt werden, entmenschlicht und als Monster und Tiere betrachtet werden, ihnen das Recht auf lebensnotwendige Güter wie Lebensmittel abgesprochen wird und das Existenzrecht des Gazastreifen konsequent abgestritten wird findet ihr hier in dieser Zusammenstellung von dem Palästinakomitee Stuttgart mit jeweiligen Quellenangaben: die-sprache-des-voelkermords.pdf (senderfreiespalaestina.de)
Auch als der israelische Finanzminister vor wenigen Monaten das Aushungern von 2 Millionen Menschen in Gaza als „gerechtfertigt und moralisch“ benannte hat dies keine politischen Konsequenzen. Außer verbale moralische Verurteilungen von Seiten des Auswärtigen Amts wurden keine Konsequenzen darauf gezogen. Auch von israelischer Seite hatte es weder für ihn, noch für andere Politiker, die sich für einen Völkermord und ethnische Säuberung aussprachen keine politischen Konsequenzen. Die Betroffenen bekleiden nach wie vor ihre Ämter.
Antisemitismus Vorfwurf als Deckmantel
Während fast jeder Mensch im Gaza Streifen vom Tod bedroht ist, da es keine Sicherheiten mehr gibt und sich die Einwohner bereits mitten in einer verheerenden humanitären Katastrophe befinden, kommt es in Deutschland und anderen Ländern wie den USA immer wieder zu Repressionen gegen Aktivisten und Demonstranten, die sich gegen eine Fortsetzung des Mordens in Gaza, dem Westjordanland und Libanon aussprechen und einen sofortigen Waffenstillstand fordern. Der Vorwurf des Antisemitismus wird als Deckmantel genutzt, um Stimmen gegen die israelische Regierung zum verstummen zu bringen. Auch wenn es natürlich auch Personen und Kreise gibt, die aus einer antisemitischen Perspektive argumentieren oder die Hamas unterstützen, spiegelt dass nicht die mehrheitliche Palästina-solidarische Bewegung wieder. Kritik an der israelischen Regierung darf nicht gleichgesetzt werden mit Hass gegen Juden, ja so wäre es sogar antisemitisch Juden und Jüdinnen mit einer Regierung gleichzusetzen. Das Handeln eines rechten Nationalstaates ist nicht gleichzusetzen mit der Vielfältigkeit von jüdischen und israelischen Menschen.
Für Kriege, die eine so hohe Anzahl an zivilem Menschenleben fordern, darunter auch ein überproportional hoher Anteil an Kindern, darf es niemals „Selbstverteidigung“ oder „Terrorbekämpfung“ als Rechtfertigung geben. Es gibt keine Rechtfertigung für das Erzeugen eines solches Leides, es gibt keine Rechtfertigung für einen Bruch mit dem Völkerrecht. Und es gibt auch keine Rechtfertigung dafür diesen Krieg mit Waffenlieferungen und fehlenden Konsequenzen zu unterstützen oder als Bürger dies stillschweigend hinzunehmen. Es ist die moralische Verpflichtung jedes einzelnen sich gegen diese Form des Massenmordes zu stellen!
Für israelische und palästinensische Menschen braucht es eine friedliche Lösung, in der das Existenzrecht jedes Zivilisten gewährleistet wird. Der Weg den die israelische Regierung gewählt hat erschafft Ungerechtigkeit, unvorstellbares Leiden und trägt in keiner Weise dazu bei, dass es in der Zukunft eine friedliche Lösung geben wird.
Quellen:
Studie The Lancet (2024): Counting the dead in Gaza: difficult but essential – The Lancet
Studie Stern (2024): Waffenlieferungen nach Israel: 60 Prozent der Deutschen dagegen | STERN.de
FR (2024): Netanjahu nennt Todeszahlen in Gaza – und verteidigt Israels Strategie (fr.de)
FR (2024): Israels Finanzminister nennt mögliche Hungertode in Gaza „gerechtfertigt“ (fr.de)
Tagesschau 2024: Deutschland weitet Rüstungsexporte nach Israel aus | tagessc
Junge Welt (2024: Ampel befeuert Kriege, Tageszeitung junge Welt, 25.10.2024
Datum: 27. Oktober 2024
Hey 🙂 Danke schon Mal, dass ihr der Einladung gefolgt seid. Ich hab bisher kaum jemanden eingeladen, gerade ist der...
Gepostet von Marisa Blog - Stiftung Gewaltfreies Leben am Donnerstag, 27. Oktober 2022