Die Subjektivität der Realitätswahrnehmung – Materie und Bewusstsein

Es ist entscheidend, Bewusstsein in Relation zu den materiellen Verhältnissen zu betrachten, denn diese haben einen starken Einfluss auf seine Entwicklung. Dennoch sind sie nicht der einzige Faktor. Menschen verfügen über Charaktereigenschaften und innere Dispositionen, die über ihre materiellen Prägungen hinausgehen.
Die Bewusstseinsforschung steckt noch in den Kinderschuhen. Bis heute ist nicht abschließend geklärt, welche Anteile von Genetik, Sozialisation, Erziehung, Klasse, Schicht, Milieu und Bildungsmöglichkeiten die Entwicklung des Bewusstseins bestimmen – und wo darüber hinaus individuelle Unterschiede beginnen.
Menschen nehmen die materiellen Bedingungen nie unvermittelt wahr, sondern durch individuelle Filter. Wahrnehmung ist selektiv und subjektiv. Daher konstruieren Menschen ihre eigene Wirklichkeit und machen ihre subjektiven Annahmen zu ihrer gelebten Realität – selbst dann, wenn diese von der objektiven Wirklichkeit abweicht.
Zudem sind nur Teile der objektiven Realität messbar. Selbst Messinstrumente sind von menschlichen Konzepten und ihren Begrenzungen geprägt.
 
Materielle Verhältnisse existieren objektiv: Klassengegensätze, Hunger, Verelendung sind reale, messbare Phänomene. Dennoch kann die wahrgenommene Wirklichkeit selbst unter denselben Bedingungen stark variieren.
Die Deutung, die Menschen ihrer Lebenslage geben, entscheidet darüber, wie sie diese erleben. Ein Mensch kann objektiv ein Sklave sein, materiell kaum etwas besitzen und trotzdem seine Ketten lieben und zufrieden sein. Sein Bruder, der unter denselben Bedingungen lebt, kann dieselbe Situation als Ungerechtigkeit erkennen und darin einen Grund zum Widerstand sehen.
 
Die materiellen Verhältnisse prägen die Filter, durch die Menschen ihre Wirklichkeit wahrnehmen. Aber ebenso konstruiert das Bewusstsein, wie das Sein wahrgenommen wird. Es besteht eine Wechselwirkung: Das Sein bestimmt das Bewusstsein, indem es die Möglichkeiten, Chancen und Zwänge vorgibt. Das Bewusstsein bestimmt das Sein, indem es dessen Bedeutung interpretiert und Handlungen ableitet, die die materiellen Verhältnisse verändern können.
Medien, Politik, Think Tanks, Religionen und Institutionen versuchen aktiv, die Deutungsrahmen der Menschen zu beeinflussen. Subjektive Wahrnehmungen sind anfällig für Manipulation. Denn hoffnungslose oder glückliche „Sklaven“ sind leichter zu kontrollieren. Aus diesem Grund gibt es Versuche, Menschen davon abzuhalten, soziale Widersprüche als veränderbare Probleme zu begreifen. Stattdessen sollen sie die bestehende Wirklichkeit als unveränderlich akzeptieren.
Um Veränderungen herbeizuführen, muss man Menschen dort abholen, wo sie stehen. Das Ziel ist, ihre Realitätsvorstellung so zu erweitern, dass die selektive Wahrnehmung verschoben wird, der Rahmen des Denkbaren größer wird und soziale Widersprüche klarer erkannt werden.
Wenn die Bedürfnisse und Interessen unterdrückter Gruppen bewusster wahrgenommen und anerkannt werden, entsteht die Grundlage, diese Bedürfnisse aktiv zu verteidigen. Erst dann können Verhältnisse geschaffen werden, in denen Menschen existenziell abgesichert sind, ihre Bedürfnisse erfüllt werden und ein nachhaltiger, respektvoller Umgang mit der Umwelt möglich ist.

Datum: 16.10.2025

 

Hey 🙂 Danke schon Mal, dass ihr der Einladung gefolgt seid. Ich hab bisher kaum jemanden eingeladen, gerade ist der...

Gepostet von Marisa Blog - Stiftung Gewaltfreies Leben am Donnerstag, 27. Oktober 2022